Zur Haftung des Arbeitnehmers für Detektivkosten bei Betrugsverdacht

BAG, Urteil vom 26. September 2013 – 8 AZR 1026/12

Zur Haftung des Arbeitnehmers für Detektivkosten bei Betrugsverdacht

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 2. Oktober 2012 – 18 Sa 492/11 – insoweit aufgehoben, als das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers gegen die Verurteilung zur Zahlung von 1.000,00 Euro nebst Zinsen an die Beklagte zurückgewiesen hat.Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Die Parteien streiten noch um einen Anspruch auf Schadensersatz der Beklagten, den sie im Wege der Widerklage wegen aufgewendeter Detektivkosten geltend gemacht hat und der ihr vom Berufungsgericht iHv. 1.000,00 Euro nebst Zinsen zugesprochen wurde.

Die Beklagte betreibt ein Busunternehmen und beschäftigt mehr als zehn Arbeitnehmer. Der Kläger war seit 9. Oktober 2000 als Busfahrer im Schichtdienst zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt ca. 2.100,00 Euro beschäftigt.

2009 hatte der Kläger neunmal Fehlzeiten wegen ärztlich attestierter Arbeitsunfähigkeit, wobei diese zwischen fünf Tagen und mehr als fünf Wochen dauerten. 2010 war der Kläger zunächst vom 4. bis zum 28. Januar arbeitsunfähig. Sodann reichte er eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 22. Februar 2010 bis 6. März 2010 ein. Auf Antrag der Beklagten bestimmte die AOK einen Untersuchungstermin für den Kläger bei dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen auf den 2. März 2010. Eine entsprechende Ladung schickte sie an den Kläger ab, welcher den Untersuchungstermin nicht wahrnahm. Am 9. März 2010 bestimmte die AOK einen weiteren Untersuchungstermin für den Kläger auf den 11. März 2010, diesmal wurde die Ladung durch einen Mitarbeiter der AOK dem Kläger am 9. März 2010 in den Briefkasten geworfen. Am 11. März 2010 rief sodann die Ehefrau des Klägers bei der AOK an und teilte mit, der Kläger habe die Einladung erst am 11. März 2010 erhalten. Auf Vorhalt eines Mitarbeiters der AOK, der Brief sei bereits am 9. März 2010 eingeworfen worden, erwiderte die Ehefrau des Klägers, sie schaue nicht täglich in den Briefkasten. Der Kläger nahm auch diesen Untersuchungstermin nicht wahr. Der Kläger reichte weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bis einschließlich 22. März 2010 ein.

Die Beklagte ließ den Kläger vom 16. März bis 21. März 2010 von einer Detektei observieren. Diese stellte fest, dass sich der Kläger täglich in dem Bistro „B“ in R aufhalte. Inhaber des Bistros ist der Schwiegervater des Klägers, geführt wird das Bistro von der Ehefrau des Klägers. Im Observationszeitraum tätigte der Kläger verschiedene Einkäufe mit dem Pkw und holte seine Ehefrau ab. Ebenso wurde beobachtet, dass er an der Eingangstür des Bistros ein Schild mit neuen Öffnungszeiten anbrachte und einmal zwei volle Getränkekisten aus dem Kofferraum seines Autos in das Bistro trug. Für diese Observation stellte die Detektei der Beklagten unter dem 23. März 2010 insgesamt 11.946,88 Euro netto in Rechnung.

Ohne die Observation zu erwähnen hielt die Beklagte mit Schreiben vom 31. März 2010 dem Kläger vor, sich zweimal der Untersuchung durch den Medizinischen Dienst entzogen zu haben, um nicht seine Arbeitsfähigkeit feststellen zu lassen. Dem Kläger wurde eine Kündigung angedroht und eine Frist zur Stellungnahme gesetzt. Der Kläger legte seinerseits eine neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit ab dem 1. April 2010 vor und ließ durch Anwaltsschreiben vom 8. April 2010 erklären, die Einladung zur Untersuchung vom 2. März 2010 nicht erhalten und diejenige für den 11. März 2010 erst an diesem Tag im Briefkasten gefunden zu haben. Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers dauerte über den 19. April 2010 hinaus fort, am 21. April 2010 legte der Kläger eine neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis einschließlich 5. Mai 2010 vor.

Vom 23. April 2010 bis 25. April 2010 ließ die Beklagte den Kläger erneut durch die Detektei beobachten. Diese hielt die Aktivitäten des Klägers sinngemäß wie folgt fest:

23. April 2010: Um 16:30 Uhr erschien er im Bistro. Ab 18:10 Uhr maß er die Terrasse des Bistros aus; zuvor hatte er in einem Baumarkt Holz gekauft. Der Kläger transportierte die Holzbalken aus dem Auto in den hinteren Bereich des Bistros, darüber hinaus einen Eimer mit Spannschrauben und eine Tüte mit Pfostenhaltern aus Metall.

Am Samstag, dem 24. April 2010 wurde der Kläger von einem Mitarbeiter des Detektivbüros dabei beobachtet, wie er zwischen 17:11 Uhr und 20:49 Uhr, durch Pausen unterbrochen, mit einem Bekannten einen niedrigen Zaun als Umrandung einer Terrasse im Außenbereich des Bistros baute. Dabei hantierte der Kläger mit einer Säge, einem Hammer und einem Akkuschrauber. Ab 21:00 Uhr spielte der Kläger bis 00:51 Uhr American Dart, dabei trank er Bier und nahm auch hochprozentige alkoholische Getränke zu sich. Insgesamt machte der Kläger nicht den Eindruck, dass er körperlich beeinträchtigt war.

Am Sonntag, dem 25. April 2010 machte der auf den Kläger angesetzte Detektiv bis 14:00 Uhr keine Beobachtungen.

Für diese Observation stellte die Detektei 1.000,00 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer in Rechnung.

Am 27. April 2010 wurde der Kläger bei dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen untersucht und seine Arbeitsfähigkeit ab dem 28. April 2010 festgestellt. Der Kläger nahm an diesem Tag seine Arbeit wieder auf.

Unter dem 30. April 2010 konfrontierte die Beklagte den Kläger erneut mit dem Vorwurf, seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erschlichen zu haben. Nunmehr hielt sie ihm seine Aktivitäten im Bistro „B“ vor und drohte ihm eine Kündigung für den Fall an, dass er diese Verdachtsmomente nicht entkräften könne. Der Kläger stritt in der Folgezeit ab, im Bistro gearbeitet oder andere Aktivitäten verrichtet zu haben. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte unter dem 14. Mai 2010 das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger einmal außerordentlich und einmal fristgemäß zum 31. August 2010. Am 11. November 2010 folgte erneut eine außerordentliche, hilfsweise fristgemäße Kündigung des Arbeitsverhältnisses, da der Kläger vereinnahmte Bargelder nicht an die Beklagte weitergeleitet habe.

Der Kläger hat die ausgesprochenen Kündigungen fristgemäß angegriffen. Die Beklagte hat Widerklage auf Ersatz der entstandenen Detektivkosten iHv. 12.946,88 Euro nebst Zinsen erhoben.

Die Beklagte hat insoweit beantragt,

den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 12.946,88 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Widerklage zu zahlen.

Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen und bestritten, sich vertragsuntreu verhalten zu haben.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und auf die Widerklage unter Abweisung im Übrigen den Kläger verurteilt, an die Beklagte 1.000,00 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Bis auf einen geringfügigen Zahlungsanspruch des Klägers blieben die von beiden Parteien eingelegten Berufungen vor dem Landesarbeitsgericht erfolglos. Das Landesarbeitsgericht hat für beide Parteien in Bezug auf die Widerklage die Revision zugelassen; mit der nur von ihm eingelegten Revision begehrt der Kläger die vollständige Abweisung der Widerklage.

Gründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte er nicht zu einer Schadensersatzzahlung an die Beklagte wegen entstandener Detektivkosten verurteilt werden.

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 14. Mai 2010 habe das Arbeitsverhältnis der Parteien aus wichtigem Grund nach § 626 BGB zum 15. Mai 2010 beendet. Gegen den Kläger bestehe der schwere Verdacht, dass er seine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht und zu Unrecht Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bezogen habe. Trotz erheblicher Zweifel, ob der Kläger ab dem 19. April 2010 noch arbeitsunfähig gewesen sei, scheide eine Tatkündigung aus, weil zur Überzeugung der Kammer nicht auszuschließen sei, dass der Kläger wegen der Einnahme von Medikamenten keinen Bus hätte führen dürfen.

Anders als noch im März durfte die Beklagte im April 2010 aufgrund der konkreten Verdachtsmomente gegen den Kläger eine Detektei mit seiner Observation beauftragen. Ihr mittlerweile durch Tatsachen zu untersetzender Verdacht, der Kläger beziehe trotz Arbeitsfähigkeit Entgeltfortzahlung, sei durch die Beobachtungen der Detektei im April 2010 als Verdacht bestätigt worden. Für die Frage der Erstattung erforderlicher und angemessener Detektivkosten könne es keinen Unterschied machen, ob die Observation zur sicheren Feststellung einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung führe oder lediglich genüge, eine Verdachtskündigung zu rechtfertigen. Dies gelte zumindest dann, wenn das Verhalten, das zu dem schwerwiegenden und erheblichen Verdacht führe, für sich betrachtet bereits pflichtwidrig sei. Rückschauend sei zwar die Frage, ob der Kläger am 23. und 24. April 2010 arbeitsfähig gewesen sei, nicht mehr zu beantworten. Wegen des möglichen Medikamenteneinflusses bleibe es insoweit bei einem Verdacht. Dies habe jedoch die Beklagte nicht zu verantworten. Das Verhalten des Klägers sei zumindest genesungswidrig gewesen, falls er nicht mehr an Schmerzen litt, aber seine Schulter belastete und hochprozentigen Alkohol konsumierte sowie Medikamente einnahm, die das zentrale Nervensystem beeinflussten.

B. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts hält nicht in allen Punkten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Ob der Kläger die Kosten der zweiten Beauftragung des Detektivbüros iHv. 1.000,00 Euro der Beklagten zu erstatten hat, kann der Senat nicht entscheiden, da es dafür weiterer Feststellungen durch das Tatsachengericht bedarf (§ 563 Abs. 1 ZPO).

I. Grundsätzlich kommt eine Erstattungspflicht hinsichtlich der Detektivkosten auch dann in Betracht, wenn die ermittelten Tatsachen zu einem so schwerwiegenden Verdacht einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung führen, dass eine deswegen ausgesprochene Kündigung im Sinne einer Verdachtskündigung als begründet angesehen werden muss.

1. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BAG 28. Oktober 2010 – 8 AZR 547/09 – Rn. 24, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 135 = EzA BGB 2002 § 280 Nr. 5; 28. Mai 2009 – 8 AZR 226/08 – Rn. 22, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 133 = EzA ZPO 2002 § 91 Nr. 4; 17. September 1998 – 8 AZR 5/97 – zu C II 1 der Gründe, BAGE 90, 1 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 113 = EzA BGB § 249 Nr. 23) hat der Arbeitnehmer wegen der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten (§ 280 Abs. 1 BGB) dem Arbeitgeber die durch das Tätigwerden eines Detektivs entstandenen notwendigen Kosten zu ersetzen, wenn der Arbeitgeber aufgrund eines konkreten Tatverdachts einem Detektiv die Überwachung des Arbeitnehmers überträgt und der Arbeitnehmer einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wird. Insofern handelt es sich um keine Vorsorgekosten, die unabhängig von konkreten schadensstiftenden Ereignissen als ständige Betriebsausgabe vom Arbeitgeber zu tragen sind. Nach § 249 BGB erstreckt sich die Schadensersatzpflicht auf alle Aufwendungen des Geschädigten, soweit diese nach den Umständen des Falles als notwendig anzusehen sind. Dazu gehört auch die Abwehr drohender Nachteile, wenn sich insofern konkrete Verdachtsmomente ergeben. § 254 BGB verlangt von einem Geschädigten allerdings die Rücksichtnahme auf das Interesse des Schädigers an der Geringhaltung des Schadens. Daraus folgt, dass der Arbeitgeber nur für die Maßnahmen Erstattungsansprüche hat, die ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Arbeitgeber nach den Umständen des Einzelfalles zur Beseitigung der Störung bzw. zur Schadensverhütung nicht nur als zweckmäßig, sondern auch als erforderlich ergriffen haben würde (BAG 28. Mai 2009 – 8 AZR 226/08 – aaO; 17. September 1998 – 8 AZR 5/97 – aaO).

2. Rechtsfehlerfrei ist das Landesarbeitsgericht weiter davon ausgegangen, dass die den Verdacht begründenden sogenannten Belastungstatsachen Verletzungen von Vertragspflichten darstellen können und dann der Grund für die Erstattungspflicht aufgewendeter Detektivkosten sind.

a) Der Verdacht, der Vertragspartner bzw. Arbeitnehmer könnte eine strafbare Handlung oder eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen haben, kann nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung bilden (vgl. BAG 18. November 1999 – 2 AZR 743/98 – zu II 1 a der Gründe, BAGE 93, 1 = AP BGB § 626 Verdacht einer strafbaren Handlung Nr. 32; ErfK/Müller-Glöge 13. Aufl. § 626 BGB Rn. 173). Entscheidend sind dabei der Verdacht eines Verstoßes gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der damit verbundene Vertrauensverlust (vgl. BAG 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09BAGE 134, 349). Es muss gerade der Verdacht sein, der das zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers zerstört oder zu einer unerträglichen Belastung des Arbeitsverhältnisses geführt hat (vgl. BAG 26. März 1992 – 2 AZR 519/91AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 23; 27. November 2008 – 2 AZR 98/07 -). Daher erscheint der Begriff der Vertrauenskündigung angemessen (Gilberg DB 2006, 1555, 1559). Letztlich geht es darum, dass erhebliche Verdachtsmomente das für ein weiteres Zusammenwirken erforderliche Vertrauen zerstört haben. Die Kündigung wegen Verdachts stellt neben der Kündigung wegen der Tat einen eigenständigen Tatbestand dar (vgl. BAG 13. September 1995 – 2 AZR 587/94 – zu II 3 der Gründe, BAGE 81, 27 = AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 25; 12. August 1999 – 2 AZR 923/98 – zu II 2 a der Gründe, BAGE 92, 184 = AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 28; 23. Juni 2009 – 2 AZR 474/07 – Rn. 55, BAGE 131, 155).

b) Das dem Verdacht zugrunde liegende Fehlverhalten des Arbeitnehmers muss eine erhebliche Verfehlung des Arbeitnehmers – strafbare Handlung oder schwerwiegende Vertragsverletzung – sein (BAG 27. November 2008 – 2 AZR 98/07 – Rn. 18). Der Verdacht muss objektiv durch Tatsachen – sog. Belastungstatsachen – begründet sein, die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können (vgl. BAG 14. September 1994 – 2 AZR 164/94BAGE 78, 18 = AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 24; 29. November 2007 – 2 AZR 724/06 – Rn. 30, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40). Der Verdacht muss darüber hinaus dringend sein, dh. es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der gekündigte Arbeitnehmer die Straftat oder die Pflichtverletzung begangen hat (vgl. BAG 12. August 1999 – 2 AZR 923/98BAGE 92, 184 = AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 28; 25. November 2010 – 2 AZR 801/09 – Rn. 16). Hierfür ist eine wertende Beurteilung und kein bestimmter Grad der Wahrscheinlichkeit notwendig (vgl. BAG 6. September 2007 – 2 AZR 722/06BAGE 124, 59; LAG Düsseldorf 17. Januar 2012 – 17 Sa 252/11 -). Die Verdachtsmomente und die Verfehlungen, deren der Arbeitnehmer verdächtigt wird, müssen so schwerwiegend sein, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Als derartige schwere Verfehlungen gelten etwa Veruntreuungen eines Filialleiters, Verrat von Geschäftsgeheimnissen, Diebstahl, Betrug bei der Spesenabrechnung, Erschleichen der Lohnfortzahlung, eine illegale verfassungsfeindliche Tätigkeit oder die sexuelle Belästigung von Mitarbeitern (vgl. ErfK/Müller-Glöge 13. Aufl. § 626 BGB Rn. 177, unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung).

3. Das Landesarbeitsgericht hat indes bislang nicht festgestellt, dass die Observation vorgelagerte und den Verdacht als Hilfstatsachen begründende Pflichtwidrigkeiten des Klägers erbracht hat.

a) Soweit das Berufungsgericht in Erwägung gezogen hat, der Kläger habe sich zumindest genesungswidrig verhalten, „falls er nicht mehr an Schmerzen litt“, bedeutet dies zum einen nicht die Feststellung einer Hilfstatsache, die für sich eine Pflichtwidrigkeit darstellt. Es handelt sich vielmehr um eine Vermutung, „falls“ der Kläger wieder schmerzfrei gewesen sein sollte. Zum anderen konnte das Berufungsgericht nicht ohne Verstoß gegen Denkgesetze alternativ ein genesungswidriges und damit pflichtwidriges Verhalten des Klägers annehmen. Denn „genesungswidrig“ kann sich nur der Arbeitnehmer verhalten, der tatsächlich arbeitsunfähig ist. Die Kündigung der Beklagten hielt jedoch das Landesarbeitsgericht wegen des schwerwiegenden Verdachts tatsächlich bestehender Arbeitsfähigkeit und erschlichener Entgeltfortzahlung für begründet. Um diese Vermutung zu erhärten, war im März und im April 2010 die Beauftragung der Detektei erfolgt. Nur insoweit kann nach den Umständen des Falles die Aufwendung der Beklagten für das Detektivbüro als notwendig anzusehen sein. Die Revision sieht im Grundsatz zutreffend, dass entgegen der Rechtsprechung des Senats andernfalls unabhängig von der Notwendigkeit gemachter Aufwendungen auch Zufallsergebnisse zur Kostenerstattungspflicht des observierten Arbeitnehmers führen könnten.

b) Hätte die Observation im April 2010 Indizien erbracht, die in Form eines vorsätzlichen Verhaltens des Klägers darauf hindeuten, dass er in Wahrheit nicht erkrankt war und die so den Verdacht stützten, er habe sich die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und infolge dessen die Entgeltfortzahlung erschlichen, könnte dies zu einer Ersatzpflicht des Klägers führen. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob sich der Kläger gesundheits- oder genesungswidrig verhalten hat, sondern darauf, ob er sich vorsätzlich so verhalten hat, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung der Schluss gezogen werden muss, er sei nicht arbeitsunfähig. Das Landesarbeitsgericht hat rechtskräftig die fristlose Kündigung der Beklagten vom 14. Mai 2010 für wirksam befunden, weil die Beklagte zwar nicht beweisen konnte, dass der Kläger tatsächlich gesund war, sie aber Indizien darlegen und beweisen konnte, die diese Schlussfolgerung zulassen und damit den Verdacht begründen, es sei so gewesen und der Kläger habe die Beklagte betrogen. Das Landesarbeitsgericht wird daher bezüglich der Detektivkosten zu prüfen haben, ob für seine Entscheidung über die Kündigung maßgebliche Hilfstatsachen auf die Observation durch das Detektivbüro vom 23. bis 25. April 2010 zurückzuführen sind. Das setzt voraus, dass ein Verhalten des Klägers beobachtet wurde, das in einer vom Kläger zu vertretenden Art und Weise (§ 619a BGB) die Rücksicht auf die Interessen der Beklagten (§ 241 Abs. 2 BGB) derart vermissen ließ, dass es den Verdacht eines Betrugs zu Lasten der Beklagten (mit-)begründete. Nach § 619a BGB liegt im Übrigen die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Kläger dergestalt vorwerfbar seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt hat und nach § 280 Abs. 1 BGB der Beklagten zum Schadensersatz verpflichtet ist, bei der Beklagten.

II. Im Übrigen sind die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts zur zweiten Beauftragung der Detektei im April 2010 rechtsfehlerfrei, sowohl was die Gebotenheit des Auftrages als auch die Angemessenheit der entstandenen Kosten anbelangt. Insoweit hat die Revision auch keine Rügen erhoben. Bei seiner Kostenentscheidung wird das Landesarbeitsgericht auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

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